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Department of Economics

Keine unerwünschten Nebenwirkungen von finanziellen Anreizen bei der Covid-19 Impfung

Finanzielle Anreize funktionieren in vielen Bereichen, sind aber umstritten. Kritiker befürchten, dass Anreize, die ein bestimmtes Verhalten herbeiführen sollen, eine Reihe von unerwünschten Nebenwirkungen nach sich ziehen können. Diese Bedenken widerlegt eine aktuelle Studie.

Nature Cover

Florian Schneider, Ökonom an der Universität Zürich hat die Pandemie dazu genutzt eine Frage zu beantworten, die die Verhaltensökonomie schon lange umtreibt: Führen finanzielle Anreize, die gesellschaftlich erwünschtes Verhalten fördern sollen, langfristig zu mehr Schaden als Nutzen?

Mögliche langfristige Auswirkungen von finanziellen Anreizen

Forscher:innen und Politiker:innen äussern seit Jahrzehnten ihre Bedenken: Finanzielle Anreize würden die intrinsische und prosoziale Motivation verdrängen, die zivilgesellschaftliche Verantwortung aushebeln und die Einstellung fördern, dass man für alles, was der Gemeinschaft dient, persönlich entschädigt werden sollte. Hinzu kommen moralische Überlegungen, erklärt Florian Schneider:  «Unterwandern solche Anreize die Selbstbestimmung, indem Menschen dazu verführt werden, gegen die eigenen Werte zu handeln? Und reduzieren sie damit das Vertrauen in die Massnahme selbst und in öffentliche Institutionen»?

Um diese Befürchtungen zu prüfen untersuchte Florian Schneider gemeinsam mit einer internationalen Forschergruppe eine Reihe von potentiell negativen Konsequenzen anhand einer aktuellen und breit diskutierten Massnahme: Finanzielle Anreize für die Covid-19 Impfung. Die Daten dazu fand er in Schweden. 2021 nahmen über 5000 Personen an einer Studie teil, an der einem Teil der Gruppe umgerechnet ca. 20 Franken für die erste Covid-Impfung angeboten wurde. Diese Daten ergänzten die Forscher mit Datensätzen zu Demographie, Einkommen und Einstellungen.  

Der finanzielle Anreiz erhöhte die Impfquote von 72 auf 76 Prozent. Florian Schneider und seine beiden Koautoren Armando Meier (Universität Lausanne) und Pol Compos-Mercade (Universität Lund) interessierten sich aber vor allem für den Einfluss des finanziellen Anreizes auf die folgenden Aspekte:

  • Bereitschaft zur zweiten und dritten (Booster) Impfung — ohne finanziellen Anreiz
  • Bereitschaft Blut zu spenden
  • Annahmen über die Sicherheit und Effektivität der Impfung
  • Vertrauen in Impfanbieter (Pharmafirmen, Gesundheitsbehörden, Forschende)
  • Gefühl der Selbstbestimmung beim Entscheid zur Impfung
  • Moralische Überzeugungen und zivilgesellschaftliche Verantwortung

Keine unerwünschten Nebenwirkungen

Die Resultate sprechen eine klare Sprache: «Unsere Untersuchung gibt Entwarnung: Wir fanden in keinem der obengenannten Bereiche unerwünschte Nebenwirkungen durch einen moderaten finanziellen Anreiz für die Covid-19 Impfung», fasst Florian Schneider die Erkenntnisse zusammen. Besonders erwähnenswert ist, dass die Forschenden keinen Auswirkungen auf die Einstellungen zur zivilgesellschaftlichen Verantwortung des Einzelnen, den moralischen Überzeugungen oder dem Gefühl der Selbstbestimmung fanden.

Ein Vorbehalt bleibt jedoch, wie Florian Schneider festhält: «Unsere Daten stammen aus einem wohlhabenden, westlichen Land und basieren auf einem moderaten finanziellen Anreiz. Wir wissen noch nicht, ob sich die Befunde auch auf ärmere Länder oder auf sehr hohe finanzielle Anreize verallgemeinern lassen». 

Anerkennung für den Nachwuchsökonomen

Dass seine Forschung in Nature, einem der führenden wissenschaftlichen Publikationen publiziert  wurde, ist für den Ökonomen, der 2020 seinen Doktortitel erlangte, sehr erfreulich. «Die Frage beschäftigte mich schon länger. Ich hatte Glück, dass ich interessierte Koautoren fand und wir Zugriff auf einen aktuellen und umfassenden Datensatz hatten, mit dem wir eine der grossen Fragen unseres Fachs, zumindest ansatzweise, beantworten konnten».

Schneider, F.H., Campos-Mercade, P., Meier, S. et al. Financial incentives for vaccination do not have negative unintended consequences. Nature (2023). https://doi.org/10.1038/s41586-022-05512-4